Nach einem back-intensiven Tag kann das schon mal passieren, dass einem abends ein paar Kleinigkeiten zu den Rezepten nicht mehr einfallen wollen und man vor einem unerklärlichen Rätsel steht,… das sich dann mit einer Überraschung auflöst.
Aber von vorne: Abends bereitete ich alles für den nächsten Back-Tag vor. Weizensauerteig und Dinkelsauerteig, Water Roux mit Dinkelvollmehl und einen Vorteig mit Weizenvollmehl. Am nächsten Morgen widmete ich mich zuerst dem reinen Dinkelteig, der nach Water Roux und Dinkelsauerteig verlangte. Als Nächstes: mein süßer Germteig, bei dem die Hälfte vom Weizen-Vorteig und der Rest des Water Roux Verwendung fanden. Nun waren noch Weizensauerteig und Weizenvorteig übrig. Kurzentschlossen suchte ich nach einem Rezept für Focaccia, wurde bei einer sehr vertrauenswürdigen Quelle fündig und begann mit der Zubereitung. Ein herrlicher Teig! Weich, warm und sehr elastisch. Die Sonne tat ihr übriges und der Teig gärte fröhlich dahin, unterbrochen von einigen Dehn- und Faltübungen. Dazwischen kam Besuch, mit dem das Mittagessen gekocht und gegessen wurde. Zwischendurch die Dinkelbrötchen backen, Zimtknoten und Nusszopf herstellen und den Kindern noch ein paar Osterhäschen formen lassen. Zum Schluss dann wurde das Focaccia versorgt und während wir uns Kaffee und Germteiggebäck schmecken ließen, lag es zum Auskühlen schon wieder auf dem Gitter.
Beim Abendessen – mit dem frischgebackenen Focaccia – versuchte ich das Rezept niederzuschreiben. Ich war mir sicher ich hatte mich – bis auf die Menge – an das Original-Rezept gehalten. Aber im Rezept kam kein Vorteig vor! Obwohl ich ja noch einen gehabt hatte, der nun weg war. Ich hatte an diesem Tag 3 Teige zubereitet, in 2 davon war Weizenvorteig gewesen, nämlich im süßen Germteig und …im Focaccia!? Obwohl ich mir sicher war, nach Rezept gearbeitet zu haben? Ein Rätsel war das, und ich kam nicht drauf, wo der Fehler war. Ich strengte mein Gehirn an, aber es gab mir die Information nicht preis… Da fiel mir ein: morgen Abend kommen Gäste, ich brauche wieder frisches Brot. Also ab in die Küche und Mehl für den Sauerteig mahlen. Neben der Mühle steht die Küchenmaschine. Und was sehe ich da zu meiner Überraschung? Sie ist voll mit gut aufgegangenem Brotteig! Ja! Stimmt! Ich habe noch einen vierten Teig an diesem Vormittag gemacht und in dem Trubel komplett vergessen! Unglaublich! Der durfte ungestört 6 Stunden aufgehen. Morgen wird sich zeigen, ob daraus noch ein schmackhaftes Brot wird. Er verbringt die Nacht jetzt im Kühlschrank…
Kommen wir zurück zum Focaccia. Wenn ich es mir recht überlege ist es ein Wunder, dass es so gut gelungen ist! Vielleicht wegen dem “Stoßgebet” vor dem Einschieben ins Rohr? Aber das ist eine andere Geschichte!
Focaccia mit Weizensauerteig und Vollmehl
(nach Focaccia Genovese von Ulrike Westphal, Kuechenlatein.com)
Zutaten für ca. 25 x 30 cm
Weizensauerteig: 10 g Anstellgut (Roggen oder Weizen) je 20 g Weizenvollmehl und Manitobamehl /Weizenmehl Type 00 40 g Wasser
Die Sauerteigzutaten miteinander vermischen und abgedeckt über Nacht bei 26°C stehen lassen.
Hauptteig: 80 g Sauerteig 200 g Weizenmehl Type 00 70 g Weizenvollmehl 165 g Wasser 4 g Germ 6 g Backmalz 6 g Salz 15 g Olivenöl
Olivenöl, Rosmarin, grobes Salz oder Salzflocken (grobes Salz mit dem Food Processor zerkleinert)
Alle Zutaten zu einem sehr weichen Teig kneten. In einen geölten Behälter geben und zur Gare an einen warmen Platz stellen. Nach 40 min. und nach 80 min. im Behälter dehnen und falten. Ich stelle den Behälter dazu in die offene Küchenlade und schließe die Lade soweit es geht, um den Behälter zu stabilisieren. Nach insgesamt 2 Stunden den Teig aus dem Behälter auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech kippen. Zu einem gut fingerdicken Rechteck formen.
Teig noch einmal ruhen lassen, währenddessen das Backrohr auf 220°C aufheizen. Vor dem Einschieben wird der Teig mit Olivenöl bestrichen, mit ca. 1 TL grobem Salz und 2 EL Rosmarinnadeln bestreut. Dann mit den Fingerkuppen den Teig eindrücken. Backblech ins Rohr schieben und fallend auf 200°C in etwa 25 min. goldbraun backen.
Ach ja! Die Sache mit dem Stoßgebet. Kurz vor dem Einschieben ins Backrohr stehe ich oft vor einem Dilemma: der Ofen ist noch nicht optimal vorgeheizt, der Teig aber schon optimal aufgegangen. Was tun? Den optimal gegarten Teig der zu geringen Hitze aussetzen? Oder auf die nötige Hitze warten und riskieren, dass der Teig Übergare hat? Ungeduld und Zeiteinteilung sind ein schlechtes Paar! Genau dieses Dilemma führte auch heute dazu, dass ich mit dem Focaccia-Blech in der einen Hand und der zweiten Hand an der Backofentüre einige Sekunden still und regungslos dastand und auf den richtigen Zeitpunkt wartete, das Focaccia in den heißen Ofen zu schicken. Absolut keine ungewöhnliche Situation, diesmal aber hatte ich eine Zuseherin. Ihr fiel die Pause auf und sie fragte mich, was das jetzt war? Ein Stoßgebet? 😀 Ich musste überlegen. Stoßgebet war es keines, aber so etwas wie eine Abstimmung zwischen dem Teig und mir vielleicht. Bist schon bereit? Soll ich schon? Oder besser noch warten? Der Teig war bereit und hat mir das Timing mit knuspriger Kruste und saftiger Krume gedankt!
Comments